Von "Europa" zur EU
Ging es anfangs um Europa (als Idee, Vision etc.), um eine "europäische
Dimension" (nicht nur) in der politischen Bildung, so engte sich die
Perspektive parallel zum Bedeutungsgewinn der EG bzw. EU auf eben
diese Organisation ein. Das zeigen auch die Beiträge des Sammelbands,
die Europa und EU kaum trennen und damit einem Trend folgen, der auch
den alltäglichen wie den Mediensprachgebrauch dominiert. Europa wurde
in Form der EU zu einem Gegenstand neben anderen in der politischen
Bildung, behandelt wurde und wird im wesentlichen das supranationale
Institutionensystem.
Das folgende Zitat illustriert die ältere Auffassung: "'Europa' ist
nicht ein Thema, es ist ein Aspekt, eine Dimension vieler
Themen. So gesehen ist die Auseinandersetzung mit Europa ein
nachgerade klassisches Beispiel für den notwendigen Zusammenhang des
Politikunterrichts mit den anderen Fächern der Schule und der
allgemeinen Schulkultur." [1]
Die Diskussion der breiteren, interdisziplinären und -kulturellen
Europaverständnisse und didaktischen Ansätze kann hier nicht vertieft
werden. [2] Da es in diesem Abschnitt der Arbeit um
Probleme und Lösungsansätze hinsichtlich der EU-Vermittlung
geht, wird die Diskussion fachdidaktischer Ansätze auf diesen
Diskussionsstrang beschränkt.
Professionalisierung
Ein zweiter Trend in der Fachdidaktik kann mit dem Begriff "Professionalisierung"
überschrieben werden. Gemeint ist die Entwicklung weg von einer "Erziehung
zu Europa" [3] und hin zu einer Behandlung auch
dieser Thematik gemäß der etablierten didaktischen Prinzipien (»
didaktische Prinzipien und Beutelsbacher Konsens).
Wie diese - nach wie vor weit verbreitete - Erziehung zu Europa
aussieht, verdeutlicht Massing in kritischer Absicht: "Die europäische
Einigung erscheint als eine im Anschluss an den verheerendsten aller
Kriege konzipierte, auf Völkerverständigung, Toleranz, Solidarität und
Frieden zielende politische Vision. Es gilt, manche durch
propagandistische Verzerrungen entstandenen Trugbilder zu verwischen,
das Aufeinanderangewiesensein der Völker aufzuzeigen, politische
Weltkunde im besten Sinne zu pflegen und damit der Völkerverständigung
zu dienen. Es ist daher notwendig, Jugendliche dazu zu erziehen,
dezidiert für ein vereinigtes Europa einzutreten. Die Stärkung des
Willens und der Überzeugung zur politischen Einigung Europas ist die
wichtigste Aufgabe der Schule." [4]
Als Kronzeuge dieser Herangehensweise aus dem Bereich der
außerschulischen politischen Bildung wird häufig Kelbling zitiert: "Jugendliche
an Europa heranzuführen, sie für Europa zu begeistern und mit ihnen
eine europäische Identität herauszubilden, ohne die nationale
Identität zu verlieren, ist eine wichtige Herausforderung für die
nächsten Jahre." [5]
Vor dem Hintergrund der didaktischen Prinzipien politischer Bildung
stellt Richter hierzu fest: "Es ist nicht zulässig, für eine bestimmte
'Identität' bilden zu wollen - auch nicht für eine scheinbar so
harmlose wie die europäische ... Schüler/innen an Europa heranzuführen,
ist akzeptabel. Aber die Entwicklung konkretistischer Vorstellungen
über die sog. 'europäische Identität' und das Ziel, Schüler/innen
dafür begeistern zu wollen, ist eine Bevormundung, die ihnen keinen
Entscheidungsfreiraum zugesteht und die dem Beutelsbacher Konsens
eindeutig widerspricht." [6]
Nun sind aber mit der "Professionalisierung" - der Überführung Europas
als EU-Kunde in die Reihe "normaler" Gegenstände politischer Bildung -
die Probleme nicht gelöst. Und dieser Aspekt führt uns erstens zurück
zum komplexen Gegenstand EU selbst und zweitens zu der aktuellen
politikdidaktischen Debatte zu Europa, die den Kern des Sammelbands "Europa
verstehen lernen" ausmacht.
Grundproblem der EU-Didaktik
Europa wird mit der EU identifiziert
und in Lehrplänen und Schulbüchern in der Regel als ein
Gegenstandsbereich neben vielen anderen abgehandelt. |
|
Das Grundproblem
besteht nun darin, dass diese Vorgehensweise der Realität des
verflochtenen EU-Mehrebenensystems nicht gerecht wird. In Brüssel wird
keine Außenpolitik gemacht, umgekehrt kann deutsche Politik ohne die
Einbeziehung der EU nicht mehr verstanden werden:
"Es ist deshalb nicht mehr gerechtfertigt, die Institutionen und
Politikfelder der Bundesrepublik und der Europäischen Union immer nur
nebeneinander zu behandeln." [7] Darüber kann
schnell Einigkeit erzielt werden, alle Erkenntnisse der EU-Forschung
weisen in diese Richtung. Es stellt sich aber die Frage, wie eine
solche Perspektivenerweiterung zu bewerkstelligen sein könnte.
Der hier zur Debatte stehende Sammelband, insbesondere der Beitrag des
Herausgebers versucht, hierauf eine Antwort zu geben: "Das Konzept
einer europazentrierten Politikdidaktik ... verlagert den bisher
nur isoliert betrachteten Gegenstand Europa in alle relevanten
Gegenstände." [8] Was heißt das?
Das Konzept "europazentrierte Politikdidaktik"
Grundsätzlich scheint es sich um ein recht eingängiges Konzept zu
handeln: Europa wird nicht mehr - wie in der "traditionellen"
Politikdidaktik - als ein Thema neben anderen unterrichtet, sondern im
Rahmen eines jeden Themas, das europäische Bezüge aufweist. "Europa
ist gleichsam eine Teilmenge vieler 'nationaler' Gegenstände."
[9]
Diese Teilmengen
sind natürlich - wie die Grafik zu veranschaulichen versucht - bei
verschiedenen Themen unterschiedlich groß. Für Weißeno gilt: "Eine
europazentrierte Politikdidaktik erfordert kein umfassend neues
Konzept." [10] Letzlich geht es darum, bei den zu
behandelnden Themen europäische Perspektiven und Bezüge zusätzlich
zu thematisieren.
Im Anschluss nimmt der Beitrag eine kurze Analyse gängiger Schulbücher
vor und kommt zu dem Ergebnis, dass die Behandlung der EU in der Regel
"unterkomplex" sei (S. 120) und eine unpolitische traditionelle
Institutionenkunde dominiere (S. 122). [11] Auf
die anschließend formulierte Frage - "Welche Wege führen zu einer
europazentrierten Politikdidaktik?" (S. 122ff.) - erhält der Leser
die Antworten, die in der linken Spalte der folgenden Tabelle stehen
und mit Kommentaren in der rechten Spalte versehen sind:
Zitat |
Kommentar |
"Der Aufbau des notwendigen
Wissens über das Institutionengefüge und die politischen
Prozesse in der EU kann nur dann erfolgen, wenn der Sinn
des institutionellen Handelns über ein Fallbeispiel ebenso
deutlich wird wie der Interessencharakter der handelnden Akteure" (S.
122). |
Dem ist
grundsätzlich zuzustimmen. Die Behandlung der supranationalen
Institutionen unter alleinigem Rückgriff auf die sattsam bekannten
Info-Grafiken (die zudem nur eine Ebene des
Mehrebenensystems darstellen) ist wenig zielführend.
Sorgfältig ausgewählte und aufbereitete Fallbeispiele sind
demgegenüber sicher ein adäquates Mittel. Allerdings muss bedacht
werden, dass es außerordentlich schwierig ist, ein exemplarisches
Fallbeispiel zu finden, ganz zu schweigen von der Aufbereitung.
[12] Dem stehen die
ausgeprägte funktionale Differenzierung und die Komplexität
des EU-Mehrebenensystems ebenso entgegen wie die ständige
Veränderung des Systems sowie die Tatsache, dass im EU-System
materielle Politik und "Verfassungspolitik" kaum zu trennen sind
[13] (»
Probleme der EU-Vermittlung). |
"Aufgabe des
Politikunterrichts ist es, den Prozess des sich einigenden Europas
auf der Basis des Handelns in und mit Institutionen bewusst zu
machen. So sind für die Schülerinnen und Schüler Erfahrungen mit
dem europäischen Politikzyklus bei gegebenem
Handlungsrahmen möglich und notwendig" (S.
122). |
Der Politikzyklus als
heuristisches Modell stellt zweifellos ein sinnvolles Instrument
für die Vorbereitung wie Durchführung von Unterrichtseinheiten in
der politischen Bildung dar. [14] Allerdings
handelt es sich eben um ein (sehr abstraktes) Modell, so dass
erstens schwer vorstellbar ist, wie die Schülerinnen "Erfahrungen"
damit machen sollen. Zweitens muss darauf hingewiesen werden, dass
im EU-System im besten Fall mehrere (im schlimmsten Fall
unzählige), völlig unterschiedlich verlaufende Politikzyklen
unterschieden werden müssen. Drittens kommt auch hier die ständige
Veränderung des Systems erschwerend hinzu, so dass man nicht von
einem "gegebenen Handlungsrahmen" ausgehen kann. |
"Eine
europazentrierte Politikdidaktik muss auf die Wechselwirkungen
zwischen beiden Politikfeldern verweisen und deshalb bei jedem
Fall, der bereits von der europäischen Richtlinienkompetenz
tangiert wird, den Blickwinkel erweitern" (S.
123).
"Ein europazentrierter Politikunterricht integriert permanent die
europäischen Diskussionszusammenhänge in die Aufarbeitung
'nationaler' Themen" (S. 124). |
[Anmerkung 1: Mit dem Begriff
"Politikfelder" werden hier nicht Politikbereiche, sondern die
beiden Politikebenen - nationale und "europäische" Ebene -
bezeichnet.]
[Anmerkung 2: Der Begriff "europäische
Richtlinienkompetenz" ist missverständlich. Gemeint ist wohl, dass
es sich um Politikbereiche handelt, in denen sowohl EU als auch
die Mitgliedstaaten Regelungsbefugnisse wahrnehmen.]
Das Erfordernis der Perspektivenerweiterung bildet den Kern
dessen, was von Weißeno als "europazentrierte Politikdidaktik" zur
Diskussion gestellt wird. Dass politische Themen im Zeitalter von
Globalisierung und Europäisierung nicht mehr "national"
unterrichtet werden können, ist unbestritten, und es zählt zu den
Verdiensten des Sammelbandes, darauf nachdrücklich aufmerksam
gemacht zu haben. Allerdings bleibt die Frage nach dem "Wie"
unbeantwortet, sieht man von den allgemein gehaltenen Hinweisen
auf Fallbeispiele und Politikzyklus als möglicherweise
erfolgversprechende Strategien ab. [15]
|
Folgerungen für diese Arbeit
Für die im Rahmen dieser Arbeit vorzunehmende Analyse
von Problemen und Skizzierung von Lösungsansätzen bei der
EU-Vermittlung ergibt sich aus den genannten Aspekten der
fachdidaktischen Diskussion, dass beim Thema "Europa" besonders auf
die grundlegenden didaktischen Prinzipien Überwältigungsverbot und
Kontroversität zu achten ist, die an anderer Stelle im Rahmen dieser
Arbeit vorgestellt werden (»
didaktische Prinzipien).
Das Thema scheint in besonderem Maße zu einer - je nach persönlicher
Einstellung europakritischen oder -freundlichen - einseitigen
Ausrichtung zu verführen. Eine "Erziehung zu Europa" in der
politischen Bildung, so wünschenswert die Herausbildung eines
europäischen Bewusstseins auch sein mag, muss sich aber den Vorwurf
mangelnder Professionalität gefallen lassen. [16]
Insofern ist Massing zuzustimmen, der mit Blick auf
diese Problematik und mit Blick auf die ungünstigen
Lernvoraussetzungen beim Thema Europa ausführt, dass "die wichtigste
Aufgabe des Politikunterrichts nur darin bestehen (kann), die
Sachkompetenz der Jugendlichen bezogen auf Europa und die europäische
Politik zu erweitern. Es geht auf einer soliden Wissensbasis darum,
Einsichten in das Funktionieren europäischer Politik zu ermöglichen
und die Fähigkeit zur politischen Urteilsbildung in Bezug auf die
europäische Ebene zu stärken", auch wenn dies "normativ vielleicht
etwas blass" sei. [17]
Es geht also um die Vermittlung von Grundwissen zur EU. Diesem Ziel,
der ersten Stufe auf der "Zieltreppe" politischer Bildung (»
Aufgaben und Ziele politischer Bildung), gilt es bei der
Entwicklung von Lösungsansätzen besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Dies gilt umso mehr, wenn man sich die besonderen Vermittlungsprobleme
beim komplexen Thema EU vor Augen führt, die an anderer Stelle im
Rahmen dieser Arbeit dargestellt werden (»
Probleme der EU-Vermittlung).
Die relative Anspruchslosigkeit auf der normativen Ebene wird durch
erhöhte Realisierungschancen aufgewogen.
Als weiteres Ergebnis der kurzen Aufarbeitung der
fachdidaktischen Diskussion kann festgehalten werden, dass die
grundsätzliche Problematik politischer Bildung angesichts regionaler
und globaler Mehrebenenpolitik Eingang in die Debatte gefunden hat,
dass diese Debatte bislang aber über die Formulierung sehr allgemeiner
Handlungsempfehlungen nicht hinausgelangt ist. Zum gleichen Ergebnis
gelangt auch der analoge Abschnitt zur fachdidaktischen Diskussion um
Globalisierung im Rahmen dieser Arbeit. Auch für das dort vorgestellte
Konzept "Globales Lernen" gilt, dass ambitionierten Zielen dürftige
Hinweise zur Umsetzung gegenüberstehen (»
Diskussion
des Konzepts "Globales Lernen").
Der Kern des oben diskutierten Bandes, das Konzept der "europazentrierten
Politikdidaktik", steckt noch in den Kinderschuhen. Es erschöpft sich
bislang in der (schwierig umzusetzenden) Forderung, die europäische
Perspektive bei der Behandlung scheinbar "nationaler" Themen
einzubeziehen, d.h. dem Mehrebenencharakter der realen Politik gerecht
zu werden.
Dieser Fokus wird aber durch die gewählte Bezeichnung - "europazentriert"
- verdeckt. Das Kind wird mit dem Bade ausgeschüttet, wenn einer
national zentrierten Politikdidaktik eine europazentrierte folgen
soll. Nimmt man das Modell des Mehrebenensystems ernst, kann es gerade
keine "Zentriertheit" geben. Eine angemessene Bezeichnung für das
Konzept in seiner gegenwärtigen Ausprägung wäre etwa "europaimplizierende
Politikdidaktik".
Besser wäre allerdings eine "mehrebenenadäquate Politikdidaktik", weil
damit auch gleich wichtige Politikebenen oberhalb der europäischen
Ebene eingeschlossen werden. Es ist zwar richtig, dass Politik in
Deutschland ohne eine Perspektivenerweiterung um die europäischen
Zusammenhänge nicht mehr verstanden werden kann. Das Gleiche gilt aber
auch für eine Erweiterung der Perspektive um die transatlantische oder
globale Ebene. [18]
[Seitenanfang]
Anmerkungen:
[1] |
Wolfgang Sander,
Europa denken lernen. Die "neue Renaissance" und die Aufgaben der
politischen Bildung; in: Georg Weißeno (Hg.), Europa verstehen
lernen. Eine Aufgabe des Politikunterrichts, Bundeszentrale für
politische Bildung Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 169.
In diesem Beitrag beschreibt Sander Europa mit einer schönen
Metapher als einen "Rohdiamanten ..., an dem seit 2500 Jahren
geschliffen wird" (S. 158). Im Anschluss zählt er "Facetten der
globalen europäischen Kultur und Politik" (S. 159ff.) auf - antike
griechische Philosophie, Römisches Reich und Christentum,
Reformation, Absolutismus, Rousseau und Aufklärung, Galilei und
Wissenschaft -, um danach die "Auseinandersetzung mit dem
politisch-kulturellen Erbe, das Europa in die Gestaltung einer
globalen Politik und Kultur einbringen kann" (S. 169) als
Bildungsaufgabe zu formulieren. So verlockend diese Perspektive
sein mag, vernachlässigt wird dabei, dass zum
politisch-kulturellen Erbe Europas auch Rassismus oder Faschismus
zählen, und zwar nicht als Unfälle, sondern als integraler
Bestandteil der "europäischen Moderne". Insofern gilt auch hier,
was im folgenden Textabschnitt als "Erziehung zu Europa"
kritisiert wird.
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|
[2] |
Referenzpunkt dieser Debatte bildet nach wie vor das Standardwerk
von Wolfgang W. Mickel,
Lernfeld Europa. Didaktik zur europäischen Erziehung, Opladen
1991.
[zurück zum Text]
|
[3] |
Peter Massing,
Bürgerleitbilder - Anknüpfungspunkte für eine europazentrierte
Didaktik des Politikunterrichts; in: Georg Weißeno (Hg.), Europa
verstehen lernen. Eine Aufgabe des Politikunterrichts,
Bundeszentrale für politische Bildung Schriftenreihe Band 423,
Bonn 2004, S. 146.
[zurück zum Text]
|
[4] |
Peter Massing,
Bürgerleitbilder - Anknüpfungspunkte für eine europazentrierte
Didaktik des Politikunterrichts; in: Georg Weißeno (Hg.), Europa
verstehen lernen. Eine Aufgabe des Politikunterrichts,
Bundeszentrale für politische Bildung Schriftenreihe Band 423,
Bonn 2004, S. 146.
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|
[5] |
Michael Kelbling,
Grenzgänge im neuen Europa. Internationale Jugendbildung zwischen
Rückzug und Aufbruch; in: kursiv 2/2002, S. 21.
[zurück zum Text]
|
[6] |
Dagmar Richter,
"Doing European" statt "Europäische Identität" als Ziel
politischer Bildung; in: Georg Weißeno (Hg.), Europa verstehen
lernen. Eine Aufgabe des Politikunterrichts, Bundeszentrale für
politische Bildung Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 177.
Massings Einwände gehen in die gleiche Richtung: "In diesen
Aussagen, Postulaten und Aufgabenbeschreibungen wird ein
wesentliches und durchaus problematisches Merkmal der bisherigen
europaorientierten politischen Bildung deutlich: die
emphatisch-gesinnungsethische Prägung, die die analytisch zu
fassende und kognitiv kritisch zu beurteilende alltagspolitische
und politikwissenschaftliche Bedeutung des Themas überlagert und
verdeckt ... Jugendliche dazu erziehen zu wollen, dass sie Europa
als historische Notwendigkeit erkennen, oder als Ziel die
engagierte Teilnahme am Europäischen Aufbauwerk zu formulieren,
vor allem aber die Absicht, bei den Jugendlichen eine europäische
Identität zu wecken, bewegt sich vor dem Hintergrund des
Beutelsbacher Konsens hart an der Grenze zur Indoktrination" (Peter
Massing, Bürgerleitbilder - Anknüpfungspunkte für eine
europazentrierte Didaktik des Politikunterrichts; in: Georg
Weißeno (Hg.), Europa verstehen lernen. Eine Aufgabe des
Politikunterrichts, Bundeszentrale für politische Bildung
Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 146 und S. 154).
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|
[7] |
Georg Weißeno,
Konturen einer europazentrierten Politikdidaktik - Europäische
Zusammenhänge verstehen lernen; in: ders. (Hg.), Europa verstehen
lernen. Eine Aufgabe des Politikunterrichts, Bundeszentrale für
politische Bildung Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 112.
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|
[8] |
Georg Weißeno,
Konturen einer europazentrierten Politikdidaktik - Europäische
Zusammenhänge verstehen lernen; in: ders. (Hg.), Europa verstehen
lernen. Eine Aufgabe des Politikunterrichts, Bundeszentrale für
politische Bildung Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 113.
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|
[9] |
Georg Weißeno,
Konturen einer europazentrierten Politikdidaktik - Europäische
Zusammenhänge verstehen lernen; in: ders. (Hg.), Europa verstehen
lernen. Eine Aufgabe des Politikunterrichts, Bundeszentrale für
politische Bildung Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 113.
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|
[10] |
Georg Weißeno,
Konturen einer europazentrierten Politikdidaktik - Europäische
Zusammenhänge verstehen lernen; in: ders. (Hg.), Europa verstehen
lernen. Eine Aufgabe des Politikunterrichts, Bundeszentrale für
politische Bildung Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 113.
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|
[11] |
Zu dem
gleichen Ergebnis kommt der Beitrag von
Joachim Detjen, "Europäische Unübersichtlichkeiten". Wie soll die politische
Bildung mit der Kompliziertheit und Intransparenz der Europäischen
Union umgehen?; in: Georg Weißeno (Hg.), Europa verstehen lernen.
Eine Aufgabe des Politikunterrichts, Bundeszentrale für politische
Bildung Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 126-143.
Insbesondere monieren beide Autoren, dass Bezüge zum
Mehrebenensystem fast durchgängig fehlen.
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|
[12] |
Ein Fallbeispiel müsste neben der
Exemplifizierung des Zusammenwirkens der Institutionen auf der
supranationalen Ebene auch und gerade die grundlegenden
Charakteristika der Mehrebenenpolitik verdeutlichen. Wie
Lehrerinnen oder Seminarleiter, die sich nicht ausschließlich mit
der EU beschäftigen, es leisten sollen, ein solches Fallbeispiel
auszuwählen und für den Unterricht aufzubereiten, ist nicht zu
sehen und wird auch in dem hier diskutierten Sammelband nicht
deutlich.
Nur angedeutet werden kann hier das zusätzliche Problem, dass
alles andere als klar ist, was sich denn eigentlich hinter dem
Begriff "Mehrebenensystem" verbirgt. Die Beiträge in dem
diskutierten Sammelband scheinen davon auszugehen, dass es sich
dabei um einen feststehenden und etablierten Begriff der
Europaforschung handelt, was keineswegs der Fall ist. Dort wird er
vielmehr als "deskriptive Metapher"
(EDGAR GRANDE, Multi-Level Governance:
Institutionelle Besonderheiten und Funktionsbedingungen des
europäischen Mehrebenensystems; in: ders./Markus Jachtenfuchs
(Hg.), Wie problemlösungsfähig ist die EU? Regieren im
europäischen Mehrebenensystem, Baden-Baden 2000, S. 12)
oder "wenig präzise" kritisiert
(ARTHUR BENZ, Politikverflechtung ohne
Politikverflechtungsfalle. Koordination und Strukturdynamik im
europäischen Mehrebenensystem; in: Politische Vierteljahresschrift
39, 1998, S. 359).
[zurück
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|
[13] |
Die hier aufgeführten Besonderheiten
des politischen Systems der EU werden detailliert herausgearbeitet
in:
Wolfgang Schumann,
Neue Wege in der Integrationstheorie. Ein policy-analytisches
Modell zur Interpretation des politischen Systems der EU, Opladen
1996.
Simon Hix, The
Political System of the European Union, Palgrave 1999, 2.
Auflage 2005.
[zurück
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|
[14] |
Auf die vielfältigen
Einsatzmöglichkeiten des Modells wird u.a. in dem folgenden Band
an mehreren Stellen hingewiesen:
Paul Ackermann u.a.,
Politikdidaktik kurzgefasst. Planungsfragen für den
Politikunterricht, Bundeszentrale für politische Bildung
Schriftenreihe Band 326, Bonn 1994.
[zurück zum
Text]
|
[15] |
Ein analoges Fazit lässt sich bei
dem Beitrag von Joachim Detjen ziehen, der die Schwierigkeiten der
EU-Vermittlung (Komplexität, Terminologie, Dynamik etc.)
überzeugend darlegt, sich bei dem Aufzeigen von Lösungsansätzen
dann aber auf einen - den folgenden - Absatz mit allgemeinen
Hinweisen beschränkt: "Methodisch bieten sich vor allem
zwei Wege an, um die europäischen Unübersichtlichkeiten in den
Blick zu bekommen. Erstens: Die Bearbeitung eines politischen
Problems kann mit Hilfe des Politikzyklus analysiert werden.
Konzentriert man sich dabei auf die Decision making- und die
Implementationsphase, lässt sich die Funktionsweise des
europäischen Mehrebenensystems gut herausstellen. Zweitens: Man
lässt einen Entscheidungsprozess mit Hilfe eines Planspiels
simulieren. Auch hier besteht die Möglichkeit, das Spiel so
anzulegen, dass den Teilnehmern die Verflechtung der regionalen,
der nationalen und der supranationalen Ebene bewusst wird." Auch
hier bleibt die Frage nach dem "Wie" unbeantwortet (Joachim Detjen,
"Europäische Unübersichtlichkeiten". Wie soll die politische
Bildung mit der Kompliziertheit und Intransparenz der Europäischen
Union umgehen?; in: Georg Weißeno (Hg.), Europa verstehen lernen.
Eine Aufgabe des Politikunterrichts, Bundeszentrale für politische
Bildung Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S.
142).
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|
[16] |
Zum
gleichen Ergebnis gelangt auch der analoge Abschnitt zu
politikdidaktischen Ansätzen der Vermittlung von Globalisierung im
Rahmen dieser Arbeit. Auch dort finden sich beim Ansatz
"solidarisches Lernen" wohlmeinende, aber unprofessionelle
Einseitigkeiten (»
zum Abschnitt "solidarisches Lernen").
[zurück zum Text]
|
[17] |
Peter
Massing, Bürgerleitbilder - Anknüpfungspunkte für eine
europazentrierte Didaktik des Politikunterrichts; in: Georg
Weißeno (Hg.), Europa verstehen lernen. Eine Aufgabe des
Politikunterrichts, Bundeszentrale für politische Bildung
Schriftenreihe Band 423, Bonn 2004, S. 154.
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|
[18] |
Analoges gilt für Geschichtswissenschaft und -vermittlung, auch
hier greift eine Erweiterung um die europäische Ebene zu kurz, wie
HANNA SCHISSLER betont: "Die Diskussion um Welt- oder
Globalgeschichte beginnt in Deutschland erst allmählich Fuß zu
fassen. Noch lebt diese Diskussion vom Engagement Einzelner. Den
Verwicklungen der Globalisierung und der Komplexität der Gegenwart
wird man jedoch auch in Deutschland mit nationaler Geschichte und
selbst mit einer Ausweitung auf europäische Perspektiven nicht
mehr gerecht" (Weltgeschichte als Geschichte der sich
globalisierenden Welt; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 1/2005,
S. 33,
Online-Version).
Vgl. auch MICHAEL GEHLER, Zeitgeschichte zwischen
Europäisierung und Globalisierung; in: Aus Politik und
Zeitgeschichte 51-52/2002, S. 23-35,
Online-Version.
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