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Policy-Didaktik
Die Themen Globalisierung und europäische Integration haben
mittlerweile einen Grad an Komplexität erreicht, der dazu führt,
dass bei den Beteiligten in der Wissensvermittlungskette
Überforderungstendenzen zu beobachten sind, ganz zu schweigen von
den Adressaten politischer Bildung.
Warum das nicht verwundern kann,
wird im Abschnitt zu den
Vermittlungsproblemen deutlich. Wie es sich äußert, zeigt der
Abschnitt zum Forschungsstand an
ausgewählten Beispielen (siehe vor allem die Abschnitte
EU
und Fachwissenschaft und
Methoden
der EU-Vermittlung).
Erste Überlegungen, wie Abhilfe geschaffen
werden könnte, werden ebenfalls im Abschnitt zum Forschungsstand
dargestellt, wobei sich allerdings zeigt, dass diese Ansätze erst
rudimentär entwickelt sind und wohl - zumindest was die
"europazentrierte Politikdidaktik", weniger was den Ansatz "Globales
Lernen" betrifft - nicht weiterverfolgt werden. |
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Hintergrund und
Voraussetzung für den Ansatz
Der Abschnitt zu den
Vermittlungsproblemen, der zugleich als kurze inhaltliche
Einführung in die beiden Themen EU und Globalisierung konzipiert
ist, hat weiterhin auf zwei Dinge aufmerksam gemacht, die für die
Entwicklung eines neuen Vermittlungsansatzes in diesem Abschnitt von
besonderer Bedeutung sind. Dabei handelt es sich um funktionale
Differenzierung und darum, dass es bei beiden Themen letztlich darum
geht, Politik im 21. Jahrhundert zu verstehen. Beides zusammen
bildet Hintergrund und Voraussetzung für den Ansatz "Policy-Didaktik"
und soll im folgenden kurz erläutert werden.
a) Funktionale
Differenzierung
Bei beiden Phänomenen - Globalisierung wie europäischer
Integration - zählt eine ausgeprägte funktionale Differenzierung zu den hervorstechendsten
Merkmalen. Was bedeutet das?
Im Fall des EU-Mehrebenensystems bedeutet es, dass die Elemente
des Systems in verschiedenen Politikbereichen auf völlig
unterschiedliche Weise zusammenwirken. Was in der Umweltpolitik
gilt, gilt in der Agrarpolitik nicht, was in der
Außenhandelspolitik gilt, gilt in anderen Außenpolitikbereichen
ganz und gar nicht usw.
Diese Unterschiede treten nicht nur
zwischen, sondern auch innerhalb der häufig unterschiedenen drei
Säulen des EU-Systems auf (»
Komplexität als EU-Vermittlungsproblem).
Dem hat die
Europaforschung Rechnung getragen und stellt in den letzten
Jahren weniger das System als Ganzes in den Mittelpunkt als
vielmehr Formen des Regierens (Governance). Dadurch kann trotz der
sui generis-Qualität des Gebildes EU erreicht werden,
dass man EU-Entscheidungen mit denen anderer
Entscheidungsproduzenten vergleichen kann. |
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Hierin liegt ein interessanter Ansatzpunkt, um dem
Vermittlungsproblem der fehlenden Referenzebene entgegenzuwirken
(»
siehe
entsprechender Abschnitt).
Festzuhalten bleibt, dass die Vergemeinschaftung verschiedener
Politikbereiche unterschiedlich weit fortgeschritten ist bzw.
dass es erhebliche Differenzen bezüglich des
Europäisierungsgrads zwischen Politikfeldern gibt.
Im Fall der Globalisierung gilt analog, dass es mehr und weniger
globalisierte Bereiche gibt. Auch hier existiert - analog zu den
Säulen im Fall der EU - eine mittlere Aggregationsstufe, die Dimensionen der Globalisierung (»
Komplexität
als Vermittlungsproblem beim Thema Globalisierung). Wie im
Fall der EU-Säulen gilt auch hier, dass der Globalisierungsgrad
nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der Dimensionen
variiert.
Während es aber bei der EU keine Probleme bereitet,
auf der nächsthöheren Aggregationsstufe von einem
EU-Gesamtsystem zu sprechen, auch wenn dessen angemessene Beschreibung ein
schwieriges Unterfangen ist, gibt es hierzu im Fall der
Globalisierung keine analoge Kategorie. In der wissenschaftlichen Globalisierungsdebatte
wurde schon früh erkannt, dass "Gesamtsichten" mehr Verwirrung
stiften als Erkenntnis versprechen, weshalb verstärkt auf
empirische Politikfeldanalysen zurückgegriffen wurde.
Festzuhalten bleibt, dass es erhebliche Differenzen bezüglich
des Globalisierungsgrads zwischen Politikfeldern gibt.
b) Politik im
21. Jahrhundert
Zum zweiten
wurde im Abschnitt zu den Vermittlungsproblemen deutlich, dass beide Themen untrennbar und auf
vielfältige, z.T. paradoxe Weise miteinander verbunden sind (»
siehe
entsprechender Abschnitt). Die europäische Integration kann
als Teilprozess oder sogar als Avantgarde des
Globalisierungsprozesses interpretiert werden. Bei beiden Themen
geht es letztlich um Grundfragen der Politikwissenschaft nach
Demokratie, Legitimation etc., um tiefgreifende Entgrenzungs-
und Transformationsprozesse, um den Wandel von Staatlichkeit,
kurz: es geht bei beiden Themen um Politik im 21. Jahrhundert.
Anders gesagt: Wer verstehen will, wie Politik im 21.
Jahrhundert aussieht, wer sich mit Formen des "Regierens in entgrenzten Räumen" [1] beschäftigt, kommt an beiden Themen nicht vorbei.
Daraus folgt, dass es möglich sein sollte und hilfreich sein
könnte, eine gemeinsame Lösung für die Vermittlungsprobleme bei
beiden Themen zu finden. Und mit dem Ansatz der Policy-Didaktik
wird ein solcher Lösungsvorschlag in diesem Abschnitt zur Diskussion gestellt.
Die Policy-Didaktik kann als Versuch aufgefasst werden, Politik zu
vermitteln, die sich in entgrenzten Räumen abspielt. Der Abschnitt gliedert
sich in drei Teile:
-
Ziele des Ansatzes:
In Abgrenzung von der traditionellen und der europazentrierten
Politikdidaktik wird die Grundidee des Ansatzes herausgearbeitet.
Ausgehend von einzelnen Politikfeldern soll
die Policy-Didaktik ermöglichen, Politik - das Regieren in entgrenzten Räumen - auf der Höhe des
politikwissenschaftlichen Forschungsstands zu vermitteln ...
[... mehr]
-
Einordnung des Ansatzes:
Die aktuelle politikdidaktische
Diskussion gruppiert sich um die Pole "Politische Bildung" und
"Demokratie-Lernen". Die Policy-Didaktik orientiert sich vor
allem an den didaktischen Prinzipien Wissenschaftsorientierung
und Exemplarität. Im Zuge der Verortung des Ansatzes
kommen Varianten, Vorzüge und Probleme der Policy-Didaktik zur
Sprache ... [...
mehr]
-
Beispiel für die Umsetzung des Ansatzes:
Anhand des Politikfelds Umweltpolitik wird skizziert, wie die
Policy-Didaktik in der Praxis aussehen könnte. Am
Beispiel des Klimawandels können ebenenübergreifende Bezüge
herausgearbeitet werden ... [...
mehr]
Zusammenfassung der
wesentlichen Elemente des Ansatzes
Vor dem Hintergrund funktionaler Differenzierung, Entgrenzung und
den damit verbundenen grundlegenden Problemen für demokratische
Politik versucht der Ansatz der Policy-Didaktik, die bislang in der
politischen Bildung vorherrschende polity-zentrierte
Ausrichtung in Richtung auf die policy-Dimension zu öffnen.
Nicht mehr Systeme (EU-System, politisches System der BRD etc.)
werden zum Ausgangspunkt gemacht, sondern konkrete
Entscheidungsprozesse in Politikfeldern (»
Grundidee).
Hinzu kommt - und das ist der entscheidende Punkt -, dass bei der
exemplarischen Beschäftigung mit ausgewählten Politikfeldern alle
Ebenen einbezogen und die Verbindungen zwischen ihnen im Sinne der
verflochtenen Mehrebenenpolitik herausgearbeitet werden. Dadurch
versucht die Policy-Didaktik, die gegenwärtig vorherrschende Tendenz
zur isolierten Behandlung der verschiedenen Politikebenen zu
überwinden.
Eine policy-didaktische Einheit zur Umweltpolitik umfasst also
Abschnitte zur internationalen Umweltpolitik, berücksichtigt
EU-Umweltpolitik ebenso wie nationale Maßnahmen und bezieht lokale
Initiativen und individuelle Handlungsmöglichkeiten mit ein. An
Themen wie der Agenda 21 oder der CO2-Emissionsrichtlinie
schließlich kann das Zusammenwirken aller Ebenen exemplarisch
verdeutlicht werden (»
Beispiel Umweltpolitik).
So versucht der Ansatz, den Anschluss an die
politikwissenschaftlichen Diskussionsprozesse seit dem Ende des
Kalten Krieges zu finden, die bislang in der Politikdidaktik noch
keine ausreichende Berücksichtigung erfahren haben. Darüber hinaus
bietet er die Chance, anschlussfähig zu bleiben, sollte die intensiv
betriebene governance-Forschung mit wichtigen Erkenntnissen
zum Regieren in entgrenzten Räumen aufwarten (»
Ziele).
[2]
Hier wird deutlich, dass neben einer starken kognitiven Komponente
das didaktische Prinzip der Wissenschaftsorientierung eine zentrale
Rolle für die Policy-Didaktik spielt. Das bedeutet für die Verortung
des Ansatzes in der aktuellen politikdidaktischen Diskussion ("Politische
Bildung" versus "Demokratie-Lernen"), dass er dem Pol "Politische
Bildung" zuzuordnen ist (»
Einordnung).
Dabei bildet die Policy-Didaktik weder eine
Alternative zur politischen Bildung, noch bedeutet sie eine
prinzipiell neue Ausrichtung derselben. Vielmehr herrscht bei
Methoden und didaktischen Prinzipien Kontinuität vor. Die hauptsächliche
Änderung besteht in einer anderen Einbettung. Während die
etablierte Politikdidaktik eher politikebenenspezifisch
vorgeht, wobei die Ebenen isoliert
voneinander thematisiert werden, und das Hauptaugenmerk auf die
polity-Dimension von Politik richtet, nimmt die Policy-Didaktik die policy-Dimension
als Ausgangspunkt, sie ist also eine politikfeldspezifische
Politikdidaktik.
In einem solchen Rahmen werden "Globalisierung"
und "europäische Integration" nicht als Themen aufgefasst, sondern
als Querschnittsaufgaben. Als Themen sprengen sie den Rahmen des in der Schule und
Erwachsenenbildung Vermittelbaren, als Querschnittsaufgaben werden
sie greifbarer. Damit wird gleichzeitig das Problem der
wechselseitigen Ignorierung beider Themenkomplexe gelöst.
Hier schließt sich der Kreis. Aufgabe der Arbeit ist es, eine
Antwort auf die Frage zu finden, wie man komplexe Themen wie EU oder
Globalisierung vermitteln kann. Dabei ist neben den
Vermittlungsproblemen die gegenwärtig
mangelnde konzeptionelle Berücksichtigung von Europäisierung und
Globalisierung in Politikdidaktik wie politischer Bildung in
Rechnung zu stellen (»
Forschungsstand).
Mit der Policy-Didaktik wird ein Lösungsversuch zur Diskussion
gestellt, der beiden Themen gleichermaßen gerecht zu werden versucht
und sich auf der Höhe des politikwissenschaftlichen Forschungsstands
bewegt. Auf europäischer wie globaler Ebene resultieren die
konzeptionellen Schwierigkeiten wesentlich aus Entgrenzungsprozessen. Hauptziel des Ansatzes ist dann auch das Verstehen von Politik in
entgrenzten Räumen, das heute zum politischen Grundwissen gerechnet
werden muss (»
Ziele).
Feedback: Für diesen wie für alle anderen Teile der Arbeit
gilt, dass ich mich über Kritik und Anregungen freue und im Sinne
einer Diskussion und Weiterentwicklung der hier präsentierten Thesen
darauf angewiesen bin. Dafür steht ein Formular zur Verfügung:
» zum Kontaktformular
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Anmerkungen:
[1] |
So lautet der Titel der nach wie
vor grundlegenden Publikation zum Thema:
Beate
Kohler-Koch (Hg.), Regieren in
entgrenzten Räumen, PVS-Sonderheft 29, Opladen 1998.
In mehreren Beiträgen geht es um Versuche der konzeptionellen
Erfassung entgrenzter Politik, wobei europäische Integration und
Globalisierung - im Wechsel oder zusammen - die Themen sind.
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|
[2] |
Wie bei der Policy-Didaktik als
Vermittlungsansatz geht es bei governance als
Forschungsperspektive nicht um "die EU an sich", sondern um
verschiedene Erscheinungsformen des Regierens wie Netzwerke,
Koordinierung, hierarchische Steuerung etc. (vgl.
Markus Jachtenfuchs/Beate
Kohler-Koch, Regieren und Institutionenbildung; in: dies.
(Hg.), Europäische Integration, Opladen 20032, S.
41). Dieser Ansatz ermöglicht selbst beim EU-System als Gebilde
sui generis Vergleichbarkeit mit governance in
anderen Zusammenhängen. Einschränkend muss ergänzt werden, dass
die governance-Forschung zwar Konjunktur hat, aber mit
erheblichen Problemen zu kämpfen hat, die schon auf der
begrifflichen Ebene beginnen. So bezeichnet
Julia von Blumenthal
den omnipräsenten Begriff als "anerkannt uneindeutig"
(Governance - eine kritische Zwischenbilanz; in: Zeitschrift für
Politikwissenschaft 4/2005, S. 1150). Einigkeit herrscht darüber,
dass governance "in den weiten Kontext der Analyse und
Beschreibung des Wandels von Staatlichkeit" gehört (S. 1153), es
also wie bei der Policy-Didaktik um Prozesse der funktionalen
Differenzierung und Entgrenzung geht. Eine grundlegende
Einführung in die Thematik, die alle Politikebenen einbezieht,
bietet der folgende Band:
Arthur Benz
(Hg.), Governance - Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine
Einführung, Wiesbaden 2004.
Das Standardwerk für multi-level-governance auf
europäischer Ebene ist:
Liesbet Hooghe/Gary
Marks, Multi-Level Governance and European Integration,
Lanham 2001.
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